Als Cato, Joran und Nerea gerade das Hügelgrab betreten wollten, wurden Stimmen im Wald laut. Mirabella, Helga, Magda und Torun hörten sogar, wie sich eine kleine Gruppe ihren Weg durch das Unterholz bahnte. Nur Pius war noch immer vollkommen im Gebet zu Lumaenor versunken und schien die Gefahr überhaupt nicht zu bemerken.

Die Hände der Frauen im Lager suchten ihre Waffen. Unsere Agentin vermutete, dass die Orks des Barons sie gefunden hatten und machte sich für einen erbitterten Kampf bereit.

Es war Lothar vom Pappelwald der nahezu lautlos aus einem Busch trat. Etwas später, sowie deutlich geräuschvoller, folgten Arvid, Ratimir und Liufr.

Der Waldläufer hatte mit seinen Mietlingen die Spur des Eulenbären bis zum Grabhügel verfolgt. Wieder schweiften die Blicke der Kirschensammler:innen nervös durch den schattenverhangenen Shalunha.

Wenn das Monster noch in der Nähe war, konnte Pius nicht allein zurückgelassen werden.

Sie teilten sich auf: Lothar und sein Fackelträger Liufr begleiteten Joran, Cato und Nerea in das Grab, während Mirabella mit den anderen beim Kleriker des Blauen Gottes blieb.

Die Elfe pflückte zunächst die Schattenkirschen am Grabeingang, dann ging Joran hinein. Liufr und Lothar folgten ihm; schließlich auch Cato und Nerea.

Bei jedem Geräusch im Wald zuckten die Frauenhände im Lager wieder an ihre Waffen, doch der Eulenbär zeigte sich nicht. Pius betete und betete. Zwischen sich wiederholenden Formeln in einer fremden Sprache, murmelte er etwas von den Schattenkirschen, den Solthurim, Baron Forkys und dem Hügelgrab. Mirabella hatte den Eindruck, dass er das spirituelle Zwiegespräch mit seinem Gott suchte, Lumaenor aber schien nicht zu antworten.

Wenig später kehrten die fünf aus dem Grab zurück. Sie husteten einen kurzen Bericht von einer kreisrunden Kammer voller violetter Pilzsporen, einer weißen Sonne und einer schwarzen Schlange an den Felswänden sowie einer nicht verrückbaren Steinplatte und dem Schwarzen Mond Shaeznars an der Decke darüber.

Nach kurzem Beratschlagen, schickte Lothar seinen Mietling Liufr zurück in die finstere Kammer. Er sollte mit seiner Fackel das Pilzgeflecht an der Decke des Eingangsbereichs wegbrennen, damit die Kirschensammler:innen anschließend gefahrlos an der Steinplatte und dem Zugang zu den eigentlichen Grabkammern arbeiten konnten.

Den Geräuschen nach zu urteilen verlief der Plan erfolgreich. Liufr war jedoch schwer angeschlagen. Er ging nicht wieder zurück ins Hügelgrab, sondern blieb hustend und röchelnd im Lager.

Nach einer Weile wurde auch Joran zurück gebracht. In Fesseln! Der Paladin war dem verfluchten Handspiegel des Zombies (siehe Bericht vom 9.8.1508) verfallen. Offensichtlich hatte der törichte Zauberer Cato das Ding in einem falschen Augenblick hervorgeholt und damit seinen Gefährten in den Wahnsinn gestürzt.

Arvid bekam die Aufgabe Joran zu bewachen, Ratimir wurde von seinem Herren Lothar in den Grabhügel abkommandiert.

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Es war bereits stockfinstere Nacht, als die abgekämpften Grabräuber:innen zurückkehrten.

Sie erzählten ihren Gefährten von einem Raum voller aufgespießter Totenschädel, die einen dicken Teppich aus ölig-schwarzen Schlangen auf den Boden gespuckt hatten, von einer Kammer die in eisblaues Licht aus einem weiteren Schädel getaucht worden war und von einem Gruftschrecken.

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Der Untote war offenbar seinem Sarkophag entstiegen, auf dem vor langer Zeit ein düsteres Ritual vollzogen worden war. Wer hatte die Ruhe des Toten gestört? Oder war die Beschwörung sogar Teil der ursprünglichen Bestattung? [^*]

Um den Steinsarg fanden die Abenteuernden jedenfalls verschiedenste Grabbeigaben: Schmuck, Möbelstücke und ganze Wagenräder sowie die kostbaren Waffen und die widerliche Knochenrüstung des ruhelosen Toten.

Kurz nach dem Fund war es Lothar und Nerea nur durch die magische Streitaxt und die silberne Speerspitze aus der Grabkammer überhaupt möglich den Untoten, im blutroten Licht eines Riesenschädels, zu besiegen.

Die Erlebnisse im Inneren des Hügels hatten heftig an der Lebenskraft der Sterblichen gezerrt und so ließen sich Cato, Lothar, Nerea und Ratimir zwar reicher, aber schwer stöhnend im Nachtlager der Gruppe nieder.

Da schlug Pius wissbegierig die Augen auf und befragte die Geplagten zu ihrem Leidwesen noch stundenlang, bis selbst Joran sein wirres Tun aufgab und wieder über einen klaren Geist verfügte.

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Doch der Paladin wusste einen weiteren Bericht abzugeben, denn er hatte in dem verfluchten Spiegel nicht sich selbst, sondern eine schlanke Elfe mit kantigen sowie vollkommen ebenmäßigen Gesichtszügen gesehen. Sie hatte goldenes Haar und trug salbeifarbene Seidengewänder. Hinter der Edeldame war ein schlanker Turm zwischen prächtigen Baumkronen zu erkennen, wie es sie nur im Shalunha gibt.

Ein Geräusch im Wald ließ die Hände der Wachhabenden wieder an ihre Waffen schnellen.

— Wendelin, Stadtschreiber und hoher Herold von Peredur

[^*] Unter Umständen kann es sich um eine Grabstätte der Wighur handeln (siehe Bericht IV vom 2.8.1506), doch unsere Agentin hatte den Steinsarg nicht gesehen und kann diese Vermutung dementsprechend auch nicht belegen.